Kann Trauer Ängste auslösen? Die Antwort ist ganz eindeutig: Ja, Angst kann tatsächlich ein Symptom von unverarbeiteter Trauer sein. Sie begegnet uns im Trauerprozess oft in zeitlicher Nähe zum Verlust. 

Wenn ein Mensch stirbt oder uns verlässt, dann wird für uns die Verletzlichkeit des Lebens, die Fragilität unseres Seins, unserer gesamten Gefühlswelt spürbar, wie nie zuvor. 

Auf einmal ist da etwas Schreckliches passiert in unserem Leben, das wir vielleicht nicht haben kommen sehen, auf das wir nicht vorbereitet waren, das unsere Hoffnungen und Träume zerstört. „Wie wird das Leben weitergehen? Was passiert als nächstes?“ könnten unsere Gedanken sein, die natürlich maßgeblich unsere Gefühlswelt beeinflussen. Das Gefühl der Sicherheit, der Vorhersehbarkeit ist erschüttert.

Angst als Symptom von Trauer

Trauer kann Ängste auslösen. Die Angst schleicht sich während der Trauer in vielen alltäglichen Situationen, vielleicht sogar als ein grundlegendes Lebensgefühl in unser Leben.

Ich weiß noch, nachdem mein Vater starb, hatte ich immer wieder große Angst, dass auch meine Mutter ganz bald sterben könnte. Ich konnte ja nicht wissen, was das Leben in naher Zukunft noch so mit sich bringt.. Die Angst ist nach und nach abgeklungen, weil ich mir Zeit für meinen persönlichen Trauerprozess genommen habe, weil ich in geschütztem Rahmen die Möglichkeit hatte über meine Gefühle zu sprechen. Weil ich zum Glück zu der Zeit schon viele nützliche tools hatte, um für mich zu sorgen und mich nicht in meinen to do’s zu vergraben und weil mich viele nährende Beziehungen zu Menschen getragen und unterstützt haben. Und natürlich auch, weil meine Mutter gesund war und ihr nichts zugestoßen ist! Und weil ich die Zeit genutzt habe, unsere Beziehung möglichst bewusst zu gestalten.

Angst als Symptom von einer lang zurückliegenden Trauer-Erfahrung

Es kann aber auch anders herum sein. Also, dass die Angst nicht ein Symptom einer bewusst wahrgenommenen Trauer ist, sondern, dass wir die Trauer gar nicht bewusst in uns erkennen und „nur“ die Angst wahrnehmen und darauf reagieren. Ich habe vor Jahren eine ganz wundervolle Frau kennengelernt, die lange unter Angststörungen litt und dann irgendwann begann, ihre ganz persönlichen Verlusterfahrungen im Leben zu verarbeiten.

In der intensiven Trauerarbeit kam sie mit sehr schmerzhaften kindlichen Erlebnissen in Kontakt, die sie bisher nicht wirklich verarbeitet und geheilt hatte. Sie hatte sich eigentlich nie als Trauernde wahrgenommen und auf einmal realisierte sie, dass sie, obwohl sie noch keinen Nahestehenden durch den Tod verloren hatte, viele ganz persönliche Trauer-Erlebnisse hatte. Viele Beziehungen in ihrem Leben waren alles andere als liebevoll und sie hatte von einigen Situationen zu berichten, in denen sich ihr Leben auf schmerzliche Weise verändert hatte und sie vor große Herausforderungen gestellt hatte.

Sie hatte das Vertrauen ins Leben und das Gefühl von Sicherheit in der Welt verloren.

Weniger Angst durch Trauerbewältigung

Nach dem Prozess der Trauerbewältigung machte sie eine sehr erstaunliche Erfahrung:

Sie hatte viel weniger Ängste! Sie konnte dem Leben auf einmal mehr vertrauen. Sie hatte die weit zurücklegenden Verlusterfahrungen nun emotional verarbeitet und konnte dem Leben wieder gelassener und mit mehr Vertrauen begegnen. Sie hätte nie damit gerechnet, dass es zwischen ihrer Angststörung und der unverarbeiteten Trauer in ihrem Leben einen Zusammenhang gab.

Weit zurückliegende unverarbeitete Trauer und aktuell erlebte Angst-Zustände können aber tatsächlich einiges miteinander zu tun haben. 

Woher kommt die Angst?

Wenn wir dem Leben nicht mehr vertrauen, dann hat das ja immer einen Ursprung. 

Hat uns ein Mensch verlassen? Wurden wir sehr verletzt? Was hat uns das Gefühl der Sicherheit genommen? Schwelt da vielleicht Trauer unter der Angst, die ich nicht mehr wahrnehme, weil die Situation, die die Trauer ausgelöst hat, schon so viele Jahre zurück liegt? Woher kommt die Angst?

Langzeitfolgen verdrängter Gefühle

Es kommt häufig zu unverarbeiteter Trauer, weil wir nicht wissen, wie wir mit unseren belastenden Gefühlen umgehen können und weil uns in unserer Gesellschaft leider viel Unverständnis entgegen weht. Mal abgesehen von den ganzen Ratschlägen und wenig hilfreichen Kommentaren, die Trauernde sich anhören müssen. 

Wie wir mit unseren Gefühlen umgehen können, hat uns in der Regel ja auch keiner beigebracht. Trauer wird in unserer Gesellschaft für eine Zeit lang toleriert, dann hat es einem aber auch wieder gut zu gehen. Wenn niemand mehr hören will wie es einem wirklich geht, dann hört man eben auch auf zu seiner Trauer zu stehen. Wir alle schlucken viel mehr herunter als uns bewusst ist. Oft bemerken wir gar nicht, dass wir belastende Gefühle schnell wegschieben. Aber wo gehen die dann eigentlich hin? Sie gehen ja nicht einfach weg, wenn wir sie vermeiden oder ignorieren.

Ganz im Gegenteil. Gefühle sind kleine Energie-Bündel, die sich irgendwo in unserem System (unserem Körper) absetzen und von dort eine Eigendynamik entwickeln, die wir dann eben leider nicht mehr steuern können. Oder es entsteht ein enormer Druck in uns. 

Die Langzeitfolgen unverarbeiteter Trauer ist oft eingeschränktes Vertrauen in uns und unsere Fähigkeiten. Wir halten uns vor dem Leben zurück, weil wir Angst vor der Unberechenbarkeit haben. Wir wurden schon einmal sehr verletzt. Was, wenn das wieder passiert? 

Angst und die Suche nach Sicherheit

Viele Menschen mit Ängsten versuchen, ein Gefühl von Sicherheit und Selbstwirksamkeit zu generieren, indem sie versuchen soviel wie möglich in ihrem Leben zu kontrollieren. Nur leider ist das nur bedingt möglich und schränkt die Lebensqualität enorm ein.

Das Leben kontrollieren zu wollen ist ein Versuch, der ständig scheitert. Das Leben und die äußeren Umstände lassen sich nicht kontrollieren. Was wir beeinflussen können ist der Umgang mit uns selbst. Der Umgang mit unseren unseren Gefühlen und Ängsten. Hier finden wir den wahren Handlungsspielraum.

Aktives Trauern gegen die Angst

Wenn ich meine Trauer verarbeite, dann fühle ich in mir die Fähigkeit, etwas für mich tun zu können, wenn ich schon den Verlauf meines Lebens nicht kontrollieren kann. Wenn ich eine Lebenssituation oder eine Verlusterfahrung nach und nach emotional abschließen kann, dann spüre ich meine Selbstwirksamkeit. Ich kann mir wieder vertrauen, weil ich weiß, dass ich etwas tun kann, wenn das Leben so ganz anders verläuft..

Versteckt sich Trauer in deiner Angst?

Erlebst du immer wieder Ängste? Verstehst du manchmal nicht, warum die Angst dich immer wieder so beherrscht?

Könnte es sein, dass du noch unverarbeitete Trauer mit dir herumschleppst?

Manchmal lohnt sich ein Blick in den Rucksack des Lebens, den wir auf unseren Schultern tragen. Bevor du da allerdings hineinblickst, überlege wie der Blick sein soll.

Wie schaust du auf dich uns deine Erfahrungen? Sei kein Richter, der alles bewertet. Von Herzen möchte ich dir empfehlen: Lass deinen Blick auf dich und deine Biographie nicht kritisch sein. Schau liebevoll auf dich und sei empathisch. Das ist der Weg des Herzens.

Möchtest du mehr über das Thema erfahren? Klick dich hier ins Video mit Sonja und mir 🙏 Sonja hat mich mit ihrer Anfrage für das Interview inspiriert.

Möchtest du mehr über die Möglichkeiten erfahren, die es es gibt, um Trauer-Erlebnisse (aktuelle oder weit zurück liegende) zu verarbeiten? Kontaktiere mich oder buche ein unverbindliches Erstgespräch mit mir hier. Ich würde mich freuen, dich kennenzulernen!