Trauersymptome versus Trauerphasen. In meiner Praxis habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Orientierung an sogenannten Trauerphasen oft für Verwirrung sorgt, weil nicht alle Trauernden die beschriebenen Phasen so erleben oder durchschreiten wie sie dargestellt werden. Es ist noch viel Aufklärungsarbeit von Nöten. Denn Trauer wurde seit der Moderne aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein verdrängt. Elisabeth-Kübler-Ross hat durch ihre Arbeit mit Sterbenden wichtige Impulse für die Trauerbegleitung gegeben, die jedoch leider oft missverstanden wurden.
Wir von der Grief Recovery Method sind vielmehr der Ansicht, dass es Symptome von Trauer gibt; also emotionale und körperliche Reaktionen eines Menschen in Folge eines Verlustes.
Dabei sei vorangestellt, dass Trauer immer einzigartig und individuell ist wie jeder Mensch! Trauer läuft nicht nach einem Schema ab, sondern wird sehr unterschiedlich empfunden.
Viele Menschen, die trauern, beschreiben eine enorme Einschränkung in der Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. „Ich bin schon nach kurzer Zeit völlig erschöpft,“ beschrieb mir einmal eine Klientin ihren Zustand. Trauer ist so anstrengend, weil sie uns psychisch, geistig und seelisch beansprucht und vor keinem Lebensbereich Halt macht. Unser kompletter Energie-Haushalt wird herausgefordert. Oft ist Trauer deutlich körperlich spürbar. Womöglich empfinden wir eine bleiernde Müdigkeit, physisch spürbare Schmerzen in Kopf oder Herz; wir fühlen uns leer, ausgebrannt und perspektivlos.
Trauersymptome wirken sich auf jeden Lebensbereich aus
Es gibt Menschen, die in einen Aktionismus verfallen und Angst davor entwickeln zur Ruhe zu kommen, weil sie nicht wissen was emotional auf sie zukäme, wenn sie auf einmal nichts mehr tun. Lieber beschäftigen sie sich in Endlosschleife und vermeiden jede ruhige Minute bis sie vor Erschöpfung einschlafen.
Es gibt Trauernde, die kaum noch Schlaf finden und tagsüber kaum einen Bissen hinunter bekommen. Andere erleben das komplette Gegenteil.
Manche nehmen sich wie betäubt, wie in einem Nebel oder unter einer Glasglocke wahr und sagen von sich selbst, dass sie nur noch funktionieren. Ihr innerer Autopilot regelt den Alltag und arbeitet to-do-Listen ab.
Wenn wir trauern sind wir selten im Hier & Jetzt. Unsere Gedanken sind mit Vergangenem beschäftigt. Wie konnte es zu dem Verlust kommen? Wäre er vermeidbar gewesen? Wie habe ich mich verhalten? Was hätte anders laufen können? (nur als mögliche Beispiel-Gedanken). Unser Kopf ist unweigerlich in einem „Inventur-Modus“ und kann daher gar nicht im Hier & Jetzt sein! Statt in der Gegenwart anzukommen, springen wir aus der Vergangenheit vielmehr in die Zukunft (und wieder zurück): Was kommt auf mich zu? Wie schaffe ich das alles? Wie geht es weiter?
Wir sind im gegenwärtigen Augenblick daher oftmals nur physisch anwesend.
Daher kann es auch sein, dass wir sehr vergesslich sind. Ich bin doch eben in diesen Raum gekommen, um etwas zu holen.. Was war es nur? Was wollte ich noch gleich?
Oder wir erleben ständig kleine Unfälle. Ich habe mich in meiner Trauer zum Beispiel regelmäßig am Ofen verbrannt oder in den Finger geschnitten, einfach weil ich mich mit Kopf und Herz gar nicht in dem Raum befand, in dem mein Köper gerade weilte; sondern ich war emotional und geistig völlig woanders.
Wenn wir weinen kann es erleichtern, es kann aber auch ein Gefühl der Leere hinterlassen. Wir können uns dumpf und matt fühlen oder kurzzeitig entspannt und zuversichtlich. Bis die nächste Welle kommt… Denn so wird Trauer oft beschrieben: Dass sie in Wellen über einen hereinbricht. Manchmal sieht man die Welle der Emotionen kommen, wie sie unausweichlich auf einen zurollt, manchmal bricht sie völlig überraschend und ohne Ankündigung gewaltsam über einem zusammen.
Die Gefühle können stark schwanken. Das ist ganz besonders in der Trauer so.
Trauersymptome beanspruchen unsere Lebensenergie
Oft kennen wir uns in uns selbst nicht mehr aus, wissen nicht mehr, was uns wirklich gut tut, wie wir für uns sorgen können oder wie es uns morgen geht.
Das gibt jedoch den Menschen um uns herum noch lange nicht das Recht, uns zu sagen wie wir trauern sollen oder was wir tun müssen. Deine Trauer ist nicht kategorisierter und braucht keine Korrektur oder Bewertung von außen. Mehr dazu findest du in meinem BLOG-Artikel: Was Trauernden nicht hilft.
Du bist du. Und deine Trauer ist so einzigartig wie deine emotionale Beziehung zu deinem Verlust. Wenn du Interesse an einem geschützten Raum für deine Trauer hast, melde dich gerne bei mir oder besuche mich auf www.loslassenlernen.com
Möchtest du mehr über unser Verständnis von Trauer erfahren? Ich empfehle ich dir das Buch „trauern heilt,“ es ist die bisher einzige Übersetzung des englisch-sprachigen Originals (The Grief Recovery Handbook) von John W. James.